Vertikale Landwirtschaft – Vertical Farming

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Das ständige Wachstum der Weltbevölkerung sowie ein stetig steigender Urbanisierungsgrad machen ein Umdenken in Bezug auf die weltweite Lebensmittelproduktion notwendig. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass innerhalb der nächsten 50 Jahre circa 8,6 Milliarden Menschen auf der Erde leben werden. Um – unter Beibehaltung der heutigen Essensgewohnheiten – eine ausreichende Lebensmittelproduktion sicherzustellen, benötigte man weltweit zusätzliche Anbauflächen von in etwa der Größe Brasiliens. Diese Anbaufläche ist zwar vorhanden [3], würde aber mit einer immensen Zerstörung von Regenwäldern und Naturgebieten einhergehen. Ein Umdenken ist gefordert!

Der ökologische Fußabdruck, d.h. die Fläche, die notwendig ist, um den Lebensstil und -standard eines Menschen unter heutigen Produktionsbedingungen auf längere Sicht zu ermöglichen – hierunter fallen Flächen, die z.B. zur Produktion von Nahrung oder Bereitstellung von Energie benötigt werden –, von London entspricht in etwa der Landfläche Schwedens. Ähnliches gilt für Wien: es bedarf einer landwirtschaftlichen Anbaufläche in etwa der Größe Burgenlands, um die Stadt bei omnivorem Konsum ernähren zu können [3]. Beide Städte sind also auf freie Anbauflächen in der Umgebung bzw. auf Nahrungsimporte angewiesen – sie können sich bei weitem nicht autark versorgen.

Generell gilt, dass ein omnivor lebender Mensch etwa 2 300 m2 freie Fläche (z. B. Anbaufläche für Gemüse, Lebensbereiche für Tiere etc.) benötigt, um seine Ernährung für ein Jahr sicherzustellen. Einer der großen Vorteile der vertikalen Farmen ist, dass der Flächenverbrauch pro Kilogramm essbarer Biomasse enorm reduziert werden kann. Bei optimaler technischer Entwicklung kann der persönliche Lebensmittelerzeugungsfußabdruck von 2 300 m2 pro Jahr auf unter 100 m2 pro Jahr gesenkt werden. Gründe dafür sind, dass der Nahrungsmittelanbau in vertikalen Farmen

> unabhängig von klimatischen Verhältnissen ist (keine Hochwasser- bzw. Dürregefährdung).

> 365 Tage im Jahr stattfindet.

> den Erdölbedarf aufgrund der Transportreduktion vermindert.

> keiner Pestizide und Düngemittel bedarf.

> den Nahrungsmittelimport reduziert.

> den Bedarf an fossilen Brennstoffen reduziert.

> mit wiederaufbereitetem Wasser funktioniert. Der geschlossene Wasserkreislauf reduziertden Wasserverbrauch im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft um bis das 500fache.

> gleichzeitig mit der Erzeugung elektrischen Stroms durch die Nutzung zersetzterNebenprodukte einhergeht.

Des Weiteren stellt diese Anbauform eine Möglichkeit dar, etwas aus der Abhängigkeit von Öl auszubrechen – die Transportwege werden um ein Vielfaches reduziert: Nahrungsmittel werden dort produziert, wo sie konsumiert werden. Es bilden sich Knotenpunkte sozial-ökonomischer Verflechtungen – Lebensmittelproduktionsstätte, Marktplatz, Wohnungs-, Freizeit-, Gastronomie- und Forschungsbereiche sowie Büroplätze befinden sich alle am selben Ort. Die produzierten Lebensmittel können somit beinahe unmittelbar nach der Ernte am Marktplatz gehandelt werden.

Vertikale Farmen können noch dazu auf flexible Art und Weise ins Stadtbild integriert werden. Weil reine vertikale Gewächshäuser sehr kostenintensiv und zeitaufwändig in Planung und Konstruktion sind, stellt z. B. der Anbau von Gewächsbereichen an bereits bestehende Hochhausfassaden eine gute Alternative dar. Diese Variante dient auch als Lärmschutz für die sich dahinter befindenden Wohnungs- oder Büroeinheiten, als Brandschutz oder kann auch – horizontal angeordnet – als Überdachung und Schattenspender von öffentlichen Plätzen fungieren. Ein hochinteressanter Aspekt beim Anbau an bereits bestehende Fassaden ist, dass CO2 vom bewohnten Bereich in den Pflanzentrakt und – umgekehrt – Sauerstoff vom Anbaubereich zu den Menschen im Gebäude geleitet wird.

Energiefluss eines reinen Gewächshauses:

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Funktionsweise:

Die Pflanzentroge bewegen sich dank eines speziellen Lift in einem Kreislaufsystem spiralförmig nach oben zum höchsten Gebäudepunkt, um dann langsam nach unten Richtung Erdgeschoß zurücktransportiert zu werden. Dieser Kreislauf dauert genau so lange, dass die Pflanze beim erneuten Erreichen des Gebäudefußes dort geerntet werden kann. Die Tröge werden nun desinfiziert, es wird neu gesät und der Kreislauf beginnt von vorne. Während eines Durchlaufs kann jede Pflanze genügend Sonnenlicht aufnehmen und die Bewässerung erfolgt automatisiert.

Technische Aspekte:

Flächenbedarf:

Es werden circa 100 m2 Anbaufläche innerhalb der vertikalen Farm benötigt, um für einen Menschen dessen Lebensmittelkonsum ein Jahr lang decken zu können. Hierbei ist allerdings schon ein verminderter Fleischkonsum eingerechnet. Generell divergieren die Angaben aktueller Forschungen bezüglich des Flächenbedarfs sehr stark. Der amerikanische Professor Dickson Despommier hat an der Columbia Universität eine 30-Stockwerk-hohe vertikale Farm entwickelt, die pro Jahr 50 000 Menschen versorgen kann. Umgerechnet entspricht dies einer durchschnittlichen Anbaufläche von nur 16,3 m2 pro Person und Jahr.

Energiebedarf:

Der für die Beleuchtung, Bewässerung, Liftanlage etc. jährlich benötigte Energiebedarf ist mit 200kWh pro Quadratmeter Anbaufläche sehr hoch. Der Großteil entfällt auf die künstliche Beleuchtung.

Kosten:

Die Kosten für eine circa 50 Stockwerke hohe vertikale Farm schätzen wir nach [4] auf 70 Millionen Euro – inklusive Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten. Ökonomen nehmen an, dass sich diese – zugegebenermaßen durchaus kostspieligen – Errichtungskosten bereits nach circa sieben Jahren durch verkaufte Frischwaren bezahlt machen.

Konstruktion:

Die vertikale Farm in Hypotopia ist 95 Meter hoch und hat eine Grundfläche (Kombination aus Kreis und Ellipse) von circa 700 m2; das Gebäudevolumen beträgt in etwa 38 000 m3. Die Stockwerkshöhe ist durchgängig 2,0 m – somit befinden sich in der vertikalen Farm 47 Anbauebenen. In Summe ergibt sich eine Gesamtanbaufläche um die 20 000 m2. Die ausreichende Versorgung eines jeden Pflanzentrogs mit Sonnenlicht ist zum einen – wie oben bereits beschrieben – durch das spiralförmige Liftsystem und zum anderen durch die semi-transparenten Fließbänder garantiert. Letztere stellen eine Lichtversorgung von weiter unten bzw. tiefer im Gebäude liegenden Pflanzen sicher.

Die Hypotopia-Farm verfügt über die Kapazität, in etwa 500 Menschen mit täglich frischen Nahrungsmitteln zu versorgen. Hierbei ist angenommen, dass die benötigte Anbaufläche für einen Menschen zur täglichen Deckung des persönlichen Pro-Kopf-Konsums bei 50 m2 liegt. Dieser Wert liegt ziemlich genau in der Mitte der von den Herren Podmirseg und Despommier kommunizierten Bedarfsflächen.

Quellen:
[1] http://www.verticalfarm.com
[2] www.plantagon.com
[3] Daniel Podmirseg: Mythos Marchfeld und Vertical Farming
[4] http://gogreen.whatitcosts.com/vertical-farm-pg2.htm

Bruno B.